Am Lago de Atitlan

Der traumhafte Lago de Atitlan

Von Antigua zum Atitlan-See sind es „nur“ 80 Kilometer, doch man kann sich die Straße vorstellen, wenn man für diese Strecke fast fünf Stunden braucht. Schlaglöcher, steile Spitzkehren, rauf, runter und durch einen Ort, in dem sich unser Navi wieder verirrt. Wir fragen uns durch und erhalten den Hinweis, dass die Straße, die uns unser Navi führen möchte, in sehr schlechtem Zustand sei. Also wieder zurück und den etwas längeren, dafür besseren Weg nehmen, der immer noch genügend  Schlaglöcher und Schotterabschnitte hat. Es geht durch das Hochland, Guatemalas landschaftlich spektakulärste Region und die Fahrt ist sehr abwechslungsreich, anders als in Mexiko. Die Hügel sind mit Maisfeldern, Kiefernwäldern und smaragdgrünem Gras bedeckt. Hier leben hauptsächlich Indigenas, deren erste Sprache immer noch ihr Maya-Dialekt ist, von dem es über zwanzig verschiedene gibt. Spanisch ist mit weitem Abstand ihre Zweitsprache. Die Maya-Kultur ist hier noch sehr lebendig und die Bevölkerung lebt nach einer Mischung aus christlicher Religion und alten Maya-Riten. Sie glauben, dass der Mensch ursprünglich aus Mais erschaffen wurde. Fast ausnahmslos tragen die Frauen ihre Tracht, die von Dorf zu Dorf etwas unterschiedlich ist, doch immer bunt und wunderschön bestickt. Sehr variabel sind die Kopfbedeckungen: einfache Tücher, Schleier oder kleine Kissen. Viele tragen schwere Holzbündel auf dem Rücken, da hier immer noch hauptsächlich mit „lena“ (Brennholz) gekocht und geheizt wird.

 

Irgendwann fahren wir um eine Kurve und vor uns in der Tiefe liegt der Lago de Atitlan. Wunderschön, umrahmt von drei Vulkanen, mitten in einer traumhaften Landschaft. Wir halten an um Bilder zu machen und sind begeistert von dem Anblick.

Aldous Huxley schrieb einst "Der See Como, so scheint mir, geht an die Grenze des in Fragen malerischer Schönheit zulässigen. Der Atitlán ist wie der See Como nur zusätzlich ausgeschmückt mit ein paar mächtigen Vulkanne. Es ist wirklich viel zu viel des Guten."

 

Der Ort, zu dem wir fahren, heißt Panajachel, von den Einheimischen nur „Pana“ genannt und ist der Touristenort am See. Wir haben nicht nur Gutes gehört, wollen aber trotzdem hier unser Lager aufschlagen. Nach einigem Suchen finden wir einen schönen Campingplatz etwa einen Kilometer vom Ort entfernt, dafür direkt am See, wo noch ein anderer Overlander, Jo, aus Deutschland steht, den wir an der Riviera Maya schon einmal getroffen haben. Leider gibt es nur kalte Duschen und hier auf 1500m Höhe ist es doch deutlich kühler als am Meer. Natürlich hätten wir lieber eine heiße Dusche, doch es ist besser als keine und der Blick auf den See entschädigt uns. Der erste Campingplatz, den wir angeschaut haben, hätte warme Duschen gehabt, doch sie wollten 24 US$ pro Nacht und wir waren nicht bereit soviel auszugeben. So zahlen wir 80 Quetzal (10 Euro) und das ist ok.

Wir kochen unser restliches Gemüse, genießen beim Essen den herrlichen Blick auf den See und beschließen erst am nächsten Tag den Ort anzuschauen. Abends kommt Jo noch auf ein Bier vorbei und wir unterhalten uns gut. Er fährt mit einem riesigen professionell ausgebauten Expeditionsfahrzeug, lässt dieses seit drei Jahren immer in Mexiko stehen und kommt dann jedes Jahr für ein halbes Jahr.

 

Unser Bus leidet etwas unter den Straßenverhältnissen hier. Jetzt ist die Gasdruckfederdämpfung vom Bett auf der rechten Seite kaputt gegangen. Armin hat es provisorisch gerichtet mit zwei Alustreben, aber auf Dauer ist das keine Lösung, wir brauchen eine neue Gasdruckfeder. Inzwischen weiß ich sogar schon, wie das auf Spanisch heißt: amortiguador de presion de gas. Aber leider sind wir noch nicht fündig geworden.

Dafür geht unser Strom wieder, und das ist doch viel wert, denn dadurch können wir weiterhin stromunabhängig stehen. Der Kühlschrank piepst auch nicht mehr, weil Armin den Piepser einfach „getötet“ hat, er hat ihn abgetrennt. Ich habe zugesehen und es sah aus, wie in manchen Filmen beim Bombenentschärfen: welchen Draht zwicke ich jetzt durch? Es war der Richtige.

Ansonsten bringt der Hund viel Schmutz in den Bus. Wir sind froh, dass wir für die beiden Sitze (sein Lieblingsschlafplatz in der Nacht) in USA noch Microfaserüberzüge gekauft haben, die wir regelmäßig waschen. Sein neuer Lieblingsplatz, wenn wir ihn im Wohnmobil lassen, ist der Tisch, weil er da aus dem Fenster schauen kann. Das versuchen wir ihm allerdings im Moment noch erfolglos abzugewöhnen. Alles in allem sind wir aber mit unserem „Putzi“ recht zufrieden. Es ist von allen Fahrzeugen, die wir angesehen haben und auch hier unterwegs sehen, der beste Kompromiss für uns: klein, wendig, verbraucht wenig Sprit, bequem und ideal für uns drei.

 

Panajachel gefällt uns recht gut. Viele Kunsthandwerksläden, Cafes, Restaurants, alles, was der Tourist so braucht. Wir bummeln am See entlang und landen in einem netten „Ökocafe“, in dem es leckere gemixte Säfte gibt, die hier licuados heißen: frisches Obst, gemixt wahlweise mit Wasser oder mit Milch. Ich nehme einen Vitaminbooster (Ananas mit irgendwelchen sehr gesunden grünen Blättern), weil mir seit heute die Nase ununterbrochen läuft. Ich entdecke einen tollen Buchladen und muss einige Zeit dort verbringen. Buchläden sind auf dieser Reise bisher eh sehr rar gesät. Es gibt einen herrlichen Bildband über Guatemala, der es mir angetan hat. Aber wir haben ja noch Zeit, denn wir beschließen noch ein paar Tage hier zu verbringen. Wir besuchen einige Reisebüros, denn wir möchten gerne einen Ausflug zu dem morgigen Markt nach San Francisco el Alto machen, ohne dass wir fahren müssen. Wir buchen uns einen Minibus für den ganzen Tag mit vier Stationen, die wir anfahren werden. Da sind wir schon sehr gespannt. Dann kann Armin auch endlich mal entspannt aus dem Fenster schauen.

Beinahe schiefgegangen!

Pünktlich um 7.30 holt uns Martin, der Fahrer des Minibuses ab. Zuerst fahren wir die acht steilen, kurvigen Kilometer nach Solola hoch (500 Höhenmeter). Auch hier ist heute Markt erklärt uns Martin und erzählt uns, dass Solola ein riesiges Department ist, zu dem die verschiedenen Orte rund um den Lago de Atitlan gehören.

Anschließend geht es auf der Panamericana weiter nach San Francisco el Alto, wo heute großer Stoffmarkt ist. Die Straßenqualität ist hier recht gut, doch die vielen steilen Kurven haben es in sich. Das Hochland ist wunderschön. In der Ferne begleiten uns die Vulkane und wir fahren durch eine dramatische Landschaft.

San Francisco el Alto liegt wie der Name sagt, hoch auf dem Berg über Quetzaltenango. Nach 1,5 Stunden erreichen wir den Ort, zu dem aus der ganzen Umgebung die Indigenas kommen um ihre selbst gewebten, bunten Stoffe zu verkaufen. Wir machen mit Martin einen Treffpunkt aus und bummeln zwei Stunden durch den Markt. Bummeln ist nicht das richtige Wort. Wir schieben uns durch den Markt, Armin auch noch mit Timba im Schlepptau und ich versuche, meist versteckt, schöne Fotos zu machen. Dieser Markt ist ganz anders als der in Chichicastenango. Wir sehen gar keine anderen Touristen und es gibt auch keine artesanias (Kunsthandwerk). Dafür wird hier jeder Zentimeter von Händlern genutzt: Decken, Jeans, Pullover, andere Kleidung, Obst, Gemüse und Stoffe, Stoffe, Stoffe. Aus jeder Ecke quellen bunte Stoffballen, man hat ein bisschen das Gefühl, dass die Stadt zu wenig Platz für die vielen  Waren und Menschen bietet.

 Timba könnten wir ein paar Mal verkaufen. Die Leute sind alle begeistert von ihm, vor allem, weil er mit seinen vielen verschiedenen Farben als Glückshund gilt. Auch wenn es mit ihm manchmal anstrengend ist, würden wir ihn um nichts in der Welt hergeben. Insgesamt fühlt man sich doch um einiges sicherer mit dem Hund, da durch seine inzwischen erreichte Größe doch auch Respekt einflößt. „Muerde?“, werden wir oft gefragt. „Beißt er?“ Natürlich tut er das nicht, aber wenn man ihn nicht kennt, weiß man es halt nicht.

Es ist unheimlich eng auf dem Markt und wir schieben uns durch die „Straßen“ (nur Fußgänger). An den Kreuzungspunkten wuselt es besonders und plötzlich ruft Armin: „Nikola!“, zeigt auf einen Mann und verschwindet mit Timba in eine bestimmte Richtung. Ich weiß erst gar nicht, was er will, doch dann deuten die umstehenden Leute auch auf einen Mann, der vor mir steht und weg will. Ich dränge ihn an die Hauswand und da ich nicht locker lasse, lässt er plötzlich etwas fallen und ich erkenne Armins Handy und Portemonnaie. Ich bücke mich um es aufzuheben und schon ist der junge Mann verschwunden. Armin kommt wieder und erzählt, dass vier Leute ihn bedrängt haben, den Reißverschluss seiner Beinhosentasche aufgemacht und den Geldbeutel und das Handy geklaut haben. Er hat es zwar gleich gemerkt, doch da war es  schon passiert. Er dachte erst, es wären die beiden Frauen denen er hinterhergelaufen ist, aber wir hatten Glück im Unglück und es war der junge Mann, den ich festgehalten habe. Jedenfalls haben wir beides wieder und es fehlt auch nichts. Wir stellen fest, dass sich oft an den Kreuzungspunkten der Straßen, wo sich die Leute nur so drängen, Taschendiebgruppen befinden, die versuchen, jemanden auszurauben. Als einzige Touristen weit und breit, sind wir natürlich die idealen Opfer.

Wir sind nun noch vorsichtiger, versuchen aber nach dem Adrenalinschock trotzdem noch den Markt zu genießen und kaufen einen schönen Stoff in Orangetönen, vielleicht für einen neuen Vorhang in der Küche. Abgesehen davon freuen wir uns an den bunten Farben, dem prächtigen Obst und Gemüse, den farbig bestickten Trachten der Frauen, die hier durch eine Schürze entfernt an Dirndl erinnern und suchen uns dann den Weg durch das Gewimmel zum Busbahnhof, wo wir Martin wieder treffen. Wir steigen in den Minibus und fühlen uns fürs erste wieder sicher.

 

Weiter geht’s nach San Andres Xecul. Dies ist ein berühmter Wallfahrtsort mit einer wunderschönen gelben Kirche. Auf der gelben Fassade findet man bunte Heilige, Blumen, Engel und Tiere aus Keramik. Wir zünden je eine Kerze für meine Mutter, unsere Reise und die Kinder an. Ansonsten ist in dem Ort bis auf ein paar Marktstände, an denen ich eine selbstgemachte Mangomarmelade kaufe, nicht viel zu sehen.

 

Unsere nächste Station sind die Fuentes Georginas, sehr bekannte heiße Quellen.  Auf dem Weg dahin fahren wir durch Zunil, ein ziemlich hässlicher Ort, der aber für sein Gemüse bekannt ist. Die ganze Gegend hier wird landwirtschaftlich genutzt und durch das Thermalwasser ist das Gemüse hier besonders schön und groß. Wir haben noch nie so große Karotten und Radieschen gesehen. Das Gemüse wird von hier auch in andere Länder exportiert. Bis zu den Quellen fahren wir durch Felder, die noch mit der Hand beackert werden.

Wir erreichen das natürliche Thermalbad, das von einer hohen Felswand aus tropischer Vegetation umgeben ist, von der heißes Schwefelwasser tropft. Am Fuße dieser Felswand ist ein großes natürliches Becken, in dem schon einige Guatemalteken sitzen. Wir gesellen uns dazu und genießen das heiße Wasser. Es ist herrlich entspannend, besonders nach dem Schock vom Markt. Timba ist solange bei Martin, der sich nach anfänglichem Zögern mit ihm angefreundet hat.

 

Auf dem Weg zurück zum Lago de Atitlan halten wir noch in Quetzaltenango,  nach Guatemala City der zweitgrößten Stadt in Guatemala, die von allen nur Xela genannt wird. Xela ist ein florierender Handelsort (Kaffee) und ein sehr authentischer Ort, das heißt, man sieht fast keine Touristen. Die Stadt hat einen recht schönen Zocalo, den Parque Centro America,  an dem das beeindruckende Rathaus liegt. Wir kommen gerade rechtzeitig in den Innenhof um eine Maya-Hochzeit zu beobachten. Nachdem wir in dem netten Cafe Maya noch Licuados getrunken haben, geht es wieder die zwei Stunden zurück  nach Panajachel, wo wir heute eine Pizza essen gehen. Anschließend nehmen wir uns ein Tuctuc zurück zum Campingplatz. Ein sehr ereignisreicher und auch anstrengender Tag geht zu Ende.    

Bootstour auf dem Lago de Atitlan

Wir entschließen uns noch mindestens einen Tag länger zu bleiben und genießen eine Bootsfahrt  in das gegenüberliegende Dorf am See, Santiago de Atitlan. Wir fahren mit dem barco publico, da diese deutlich günstiger ist als ein barco privado. Inzwischen ist mein Spanisch wieder so gut, dass wir uns ziemlich fließend verständigen können.

Santiago ist bekannt, weil es ein typisches Mayadorf ist, in dem sie einen Heiligen namens Maximon verehren. Kaum angelegt, werden wir einen Touristenführer nicht mehr los, der uns zu diesem Heiligen hinbringen möchte. Wir handeln ihn vom Preis her ordentlich runter und stapfen ihm dann hinterher durch diverse Gassen. Unterwegs erzählt er uns einiges zur Tradition der Maya. In Guatemala gibt es noch 24 Mayasprachen und hier in diesem Dorf wird Tzutujil gesprochen. In der Schule lernen die Kinder Spanisch, aber zuhause unterhalten sich alle in dem Maya-Dialekt.

Außerdem meint er, gehören alle Maya zwei Religionen an: in erster Linie ist die alte Maya-Religion wichtig, doch zusätzlich gehen auch alle in die Kirche. Es kann ja nicht schaden.

Maximon ist ein spiritueller Heiliger, der immer ein Jahr lang bei einer Familie wohnt und im November wird entschieden, wo er das nächste Jahr leben darf. Bei den Mayas heißt er Rilaj Mama. Im Mai findet ein großer Umzug statt, der ihn in sein neues Zuhause bringt. Maximon ist eine Holzstatue, die über und über mit Kravatten behängt ist und ein Zigarillo im Mund hat. Er sitzt auf einem Stuhl und rechts und links von ihm passen seine Maya-Wächter auf ihn auf, die in abends auch ins Bett bringen. Man kann ihn gegen einen entsprechenden Obolus, entweder Geld oder Zigaretten oder Schnaps um Hilfe bitten und auch fotografieren. Zuständig ist der Heilige für Glück, Liebe und Geld. Unser Führer ist jedenfalls sehr überzeugend in seinem Glauben.

Anschließend bringt er uns noch zu der großen katholischen Kirche. Auch hier, wie in anderen Kirchen, ist alles in dunklem Violett geschmückt in Erwartung der Semana Santa, der Karwoche, die hier mit vielen Umzügen gefeiert wird.

Danach bummeln wir noch durch das Dorf und düsen dann wieder mit dem Schnellboot 25 Minuten zurück über den See nach Pana, wo wir noch gemütlich bummeln und die Touristencafes mit  Internet genießen. Manchmal freut man sich über einen gewissen Standard.

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Kommentare: 1
  • #1

    TUX (Dienstag, 21 März 2017 20:32)

    Jetzt verstehe ich warum die so viel rote Farbe in den Kleidern haben... Es gibt rote Bananen....;-)