Der Campbell Highway
Am nächsten Morgen düsen wir die 70 Kilometer zurück bis zum Klondike Highway. Es ist wolkenverhangen und regnet teilweise und so sind wir froh, dass wir gestern unsere Wanderung und Ausflug weiter nach Norden bis Kilometer 120 gemacht haben.
Dem Klondike Highway folgen wir nach Süden bis nach Carmacks, wo wir auf einer der etwas einsameren Straßen in Kanada nach Westen fahren wollen, dem Campbell Highway. Der Campbell Highway führt durch die einsame Weite der Wälder des südlichen Zentral-Yukon. Er folgt der Pelzhandelsroute von Robert Campbell, der 1840 diese Gegend für die Hudson`s Bay Company erkundete.
Bevor wir starten, unterhalten wir uns noch mit einer Einheimischen im Roadhouse von Carmacks. Sie meint, mit einem Reservereifen, genügend Benzin im Tank und Vorräten könnten wir diese Straße gut fahren.
Und wirklich: die ersten zweihundert einsamen Kilometer bis Faro sind geteert und folgen dem Yukon und einem seiner Seitenarme. Auch hier ist die Landschaft wunderschön, allerdings stärker bewaldet als am Dempster. Der Campbell ist ein Highway abseits der normalen Routen und uns begegnet nur ein Auto und eine Elchkuh, die aus dem Gebüsch springt. Ich weiß nicht, wer mehr geschockt war, Armin oder die Elchkuh.
In der kleinen Stadt Faro finden wir einen erstaunlich gut ausgestatteten Campingplatz und übernachten dort. Faro ist ein Beispiel für die Kurzzeit-Boom-Zeiten, die manche Orte in Kanada über Nacht berühmt machen und die genauso schnell wieder verschwinden. Die Stadt wurde 1968 gegründet, als man die größten Zink- und Bleivorkommen Kanadas in der Anvil Dynasty Mine fand. 1990 wurde die Mine wieder geschlossen, weil sie nicht mehr rentabel war und die Bevölkerungszahl von Faro sank von über 3000 auf ungefähr 400 Einwohner, die ständig hier wohnen.
Im Visitor Information Center, das gleichzeitig das Campingplatz-Office ist, unterhalten wir uns auf Deutsch mit einer Polin, die sieben Jahre in Deutschland gewohnt hat und jetzt seit zehn Jahren mit ihrer Familie in Faro lebt. Ihr Sohn arbeitet in den von der Regierung veranlassten Rückbaumaßnahmen der Blei und Zinkmine. Wir kaufen ihr eine hervorragende Cranberry-Marmelade ab und erzählen von unserer Blaubeermarmelade. Sofort frägt sie, wo wir die Blaubeeren gesammelt hätten, denn diese Plätze sind hier bei den Kanadiern ein "well-kept secret".
Wir stellen wieder einmal fest, dass uns Kanada inzwischen doch sehr viel internationaler vorkommt als die USA. Wie wir in Vancouver schon bemerkt haben, leben hier viele Nationalitäten sehr offen und tolerant nebeneinander. Das gefällt uns recht gut.
South Canol Road
Am nächsten Morgen wachen wir bei strahlendem Sonnenschein auf und so beschließen wir uns auf die South Canol Road zu wagen. Die Canol (Canadian Oil) Road entstand 1942 , als die Kanadier eine Pipeline vom Mackenzie Delta nach Whitehorse bauen wollten. Das Projekt, das 143 Millionen Dollar kostete, wurde eine große Pleite. Man hatte die Schwierigkeiten des Baus einer Pipeline durch die wilden Mackenzie Mountains und die dichten Wälder des Nordens vollkommen unterschätzt. 1945 wurde das Projekt aufgegeben und seit 1958 ist die Straße im Sommer für den allgemeinen Verkehr geöffnet.
In Ross River biegen wir auf die South Canol Road ab und fühlen uns, ob der Straßenverhältnisse nach Guatemala zurückversetzt. Schlaglöcher, Wellblechpiste und eine Schotterstraße, die ihren Namen wirklich verdient, erwartet uns die nächsten 218 Kilometer. Im Führer wird optimistisch eine Fahrzeit von vier Stunden angegeben. Trotzdem Armin und ich heizen, was die Reifen hergeben, brauchen wir fünfeinhalb Stunden. Timba ist unser Zeuge. Er hat noch nie im Auto gespuckt, doch heute war es soweit. Natürlich passierte es, als ich gefahren bin und das werde ich mir jetzt immer anhören müssen.
Doch die Landschaft ist ein Traum. Besonders der nördliche Teil der Strecke fasziniert uns, weil die Straße sich durch enge Schluchten und hohe Berge mit teils einspurigen Straßenverhältnissen hinauf- und hinabschlängelt. Zum Glück kommen uns auf der gesamten Strecke nur vier Autos entgegen.
Der Lapie River mäandriert an der Straße entlang und bildet immer wieder Seen. An einem dieser Seen machen wir Pause und genießen ein kleines Picknick. Das hier ist Kanada wie man es sich vorstellt, einsam und wild mit gigantischen Ausblicken auf die umliegenden Berge. Leider verstecken sich wieder alle Tiere vor uns, was vielleicht an dem Rappeln unseres Autos auf der Straße liegt und an dem Quietschen der Bremsbeläge, die sich nach dem Wechsel noch an die gebrauchten Bremsscheiben anpassen müssen.
Wir genießen die Fahrt sehr, doch nach über zweihundert Kilometern sind wir froh, in Johnston Crossing auf den Alaska Highway zu stoßen und wir gönnen uns ein Abendessen in dem am Campingplatz angeschlossenen Roadhouse.
Watson Lake
Von Johnston Crossing aus fahren wir wieder auf dem altbekannten Alaska Highway Richtung Osten. Bis zur Einmündung des Cassiar Highways kennen wir die Strecke schon und so ist unser nächster Halt östlich des Cassiar in Watson Lake.
Im Informationszentrum sehen wir uns einen sehr interessanten Film über den Bau des Alaska Highways an. Da wird uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, welche Strapazen die Soldaten auf sich genommen haben um diese 2237 Kilometer lange Straße durch die Wildnis zu schlagen. Dieses nun kommende Straßenstück stellte die Straßenbauer 1942 vor ein großes Problem, denn keiner wusste so genau, wo die Straße verlaufen sollte. Die angeheuerten Indianer und Trapper kannten hauptsächlich Kanurouten um sich fortzubewegen und so landeten die Vermessungstrupps immer wieder in Sackgassen. Erst als die Buschpiloten eingesetzt wurden, konnte eine gut realisierbare Strecke gefunden werden. Nachdem die Straße für die Öffentlichkeit eröffnet wurde, war sie immer noch extrem schwierig zu befahren und wurde als suicide road bezeichnet. Immer wieder finden wir auch heute noch Aufkleber zu kaufen mit der Aufschrift: „ I drove the Alaska Highway – and survived.“
Für uns ist die Straße angenehm zu fahren, besonders nach der Erfahrung mit der rauhen South Canol Road. Sie ist inzwischen durchgehend geteert und zieht sich als breites Band durch die unberührte Wildnis. Rechts und links des Highways sind die nächsten zehn Meter noch freigeschnitten, damit die im Winter durch die Schneelast häufig umfallenden Bäume nicht die Straße versperren. Trotzdem wir es sehen, ist es immer noch unvorstellbar, dass danach hunderte von Kilometern nur Wälder, Seen und Berg zu finden sind.
Dieses Jahr feiert der Alaska Highway seinen 75. Geburtstag und wir befahren nun den Teil, den wir noch nicht kennen bis nach Dawson Creek (nicht zu verwechseln mit Dawson City).
Watson Lake ist bekannt durch den Watson Lake Sign Post Forest. Dieser Schilderwald mit Auto- und Ortskennzeichen aus aller Welt wurde 1942 von dem heimwehgeplagten Soldaten Carl Lindley begonnen, der ein Schild mit der Entfernung zu seinem Heimatort in Illinois an einen Baum nagelte. Seither ist die Sammlung ständig gewachsen und inzwischen können wir 84.800 Schilder bewundern. Wir finden Ortsschilder von Augsburg, Fürstenfeldbruck, Gröbenzell und Neuwied neben Schildern aus Ontario, Florida und anderen Regionen der Welt. Jeder darf hier ein Autokennzeichen oder Ortschild anbringen.
Da uns Watson Lake zum Übernachten nicht gut genug gefällt, geht es weiter bis nach Liard Hot Springs. Auf dem Weg dorthin werden wir von einer Bisonherde aufgehalten, die mitten auf dem Highway eine Ruhepause eingelegt hat. Wenn die großen Bullen sich erheben und auf das Auto zukommen, wird es einem schon anders. Das sind einfach riesige Tiere. Timba steht ganz aufgeregt am Fenster und wir sind froh, dass wir im Auto sitzen und nicht daneben stehen.
Liard Hot Springs
Die heißen Quellen von Liard Hot Springs sind in der ganzen Gegend hier sehr bekannt. Dementsprechend voll ist der angeschlossene Campingplatz und wir stehen für eine Nacht auf dem Ausweichplatz.
An dem Fluss Liard sind wir die letzten 200 Kilometer schon entlanggefahren, denn der Fluss bot den Erbauern des Alaska Highway eine natürliche Linie an, der sie 1942 folgen konnten. Auch die Soldaten genossen schon das heiße Wasser der Hot Springs. Mindestens sechs Quellen sprudeln hier mit 120 Liter pro Sekunde aus dem Boden. Das Wasser der beiden Badebecken hat um die 40 Grad Celsius, je nachdem wo man sich aufhält.
Wir erreichen diese Becken, indem wir über einen 800 Meter langen Holzsteg wandern. Links und rechts des Weges dampft der moorige Boden und exotische Pflanzen und Tiere haben hier ihre Heimat. Das Bad selbst ist sehr naturbelassen und gefällt uns extrem gut. Vom Ursprung der Quelle fließt ein Fluss in zwei verbreiterte unterschiedlich heiße Becken, die nur auf der einen Seite eingefasst sind. Auf der anderen Seite fangen gleich das Moor und der Wald an. Das eine Becken führt noch zu einem kleinen Flusslauf, den wir einige Meter entlang schwimmen. Das Wasser wird immer kälter, bis wir zu einem kleinen Wasserfall gelangen. Es ist wirklich abenteuerlich hier. Wir genießen noch einige Zeit die heißen Quellen und unterhalten uns recht gut mit verschiedenen Leuten. Inzwischen regnet es und so ist es sehr angenehm im heißen Wasser zu sitzen und zu schwimmen.
Das Wetter wird nicht besser und so beschließen wir auch den nächsten Tag hier zu verbringen. Für diese zweite Nacht bekommen wir dann am nächsten Vormittag einen schönen Platz bei den heißen Quellen.
Mittags essen wir etwas in der Lodge gegenüber des Campingplatzes. Da wir sehr lange auf unsere Bisonburger warten müssen, erklärt uns die Bedienung schließlich, dass sie aufs Haus gehen. Das freut uns natürlich sehr und als Ausgleich geben wir ihr ein fürstliches Trinkgeld.
Bei prasselndem Regen auf das Wohnmobildach schauen wir uns am Nachmittag „Harry Potter und der Stein der Weisen“ an. Das ist recht gemütlich und spät am Abend besuchen wir, in der Hoffnung auf weniger Leute, noch einmal die heißen Quellen.
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TUX (Dienstag, 22 August 2017 20:35)
Cool der Schilder Wald.....