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Französisches Kanada

Die Provinz Quebec

Am Nachmittag verlassen wir die hübsche Stadt Burlington und fahren über die Inseln im Lake Champlain eine landschaftlich wunderschöne Strecke nach Norden zur kanadischen Grenze. Bei herrlichem Wetter erreichen wir nach inzwischen normal gewordenen Grenzformalitäten die Provinz Quebec und sind plötzlich auch in einer komplett anderen Kulturwelt: Vive la Nouvelle-France!

 

Quebec ist die größte der kanadischen Provinzen (etwa dreimal so groß wie Frankreich) und die einzige, die als Amtssprache Französisch spricht. Die Provinz ist sehr durch ihr französisches Erbe geprägt, was wir nicht nur an der Sprache merken. 

Sie liegt im Osten Kanadas zwischen der Hudson Bay und dem St Lawrence Strom, der zum Teil auch die Grenze zu den USA bildet. Zwei Jahrhunderte lang, von der Ankunft Jacques Cartiers im Jahre 1534 bis zur Kapitulation von Governor Vaudreuil im Jahre 1760, war Quebec eine französische Kolonie. Durch den Pariser Frieden 1763 fiel die Provinz Quebec dann an die Briten. Der Sonderstatus der Provinz wurde schon 1774 durch den Quebec Act betont, der das französische Rechtssystem, die Religionsfreiheit und die französische Kultur und Sprache anerkannte. Seit damals ist die Politik dieser Provinz von einer ständigen Debatte um die frankophone Kultur und Sprache geprägt. Seit 2006 ist Quebec als eine "Nation in einem vereinten Kanada" anerkannt.

Quebec hat ungefähr acht Millionen Einwohner und davon sprechen rund 6,4 Millionen französisch, somit spricht ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung Französisch als Muttersprache. 

 

Montreal

 Wir erreichen Montreal am späten Nachmittag, machen unseren Campingplatz klar, fahren dann noch in die etwa zwanzig Minuten entfernte Stadt und sind begeistert.

Montreal liegt auf einer Insel, der Ile de Montreal, im St. Lawrencestrom und ist mit 1,8 Millionen Einwohnern (Metropolregion: 3,8 Millionen) die zweitgrößte Stadt Kanadas. Nach Paris ist es sogar die zweitgrößte  Stadt der Welt, in der Französisch als Muttersprache gesprochen wird.

Durch ihre Insellage hatte Montreal auch schon als Dorf der Irokesen namens Hochelaga eine gute strategische Position. Als erster Europäer besuchte Jacques Cartier 1535 diesen Ort und nannte den Hügel auf der Insel zu Ehren von König Francois I Mont Royal. 1642 wurde dann die Stadt Ville-Marie von Paul Chomedey, dem Sieur de Maisonneuve, gegründet und entwickelte sich bald zu einem Pelzhandelszentrum. Der Name Ville- Marie wurde mit der Zeit durch den Namen Montreal verdrängt.

Ab 1844 war Montreal für kurze Zeit die Hauptstadt der Provinz Kanada, einem Zusammenschluss der Kolonien Ober- und Niederkanada und um 1860 war sie die größte Stadt in Britisch-Nordamerika. Durch die Eisenbahn war Montreal mit Portland und Toronto verbunden und durch den Hafen am St Lawrence Kanal mit dem Atlantik. Diese Verkehrslage machte sie interessant für die einsetzende Industrialisierung. Im 20. Jahrhundert verlor Montreal seine Vormachtstellung an Toronto und der Dienstleistungssektor verdrängte die Industrie immer mehr. Heute ist Montreal das Banken- und Wirtschaftszentrum der Provinz Quebec und ein Zentrum für Kultur, Kunst, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt, Textilgewerbe und Medien.

Wie wir erleben können, verstehen es die Montrealer ihr Leben zu genießen. Französisches Flair verbindet sich hier mit europäischer Kultur. Wir schlendern durch die kopfsteingeplasterten Gassen der Altstadt, setzen uns in eine der vielen kleinen Brauereien und genießen den lauen Sommerabend. Das Essen und die Mode ist hier wichtig. Überall hören wir französisch, die Leute sind schlank und gut gekleidet und amerikanische Touristen erkennt man schon von weitem. 

Eine Besonderheit durchzieht abends die gesamte Altstadt: an ausgewählten Plätzen wird die Geschichte Montreals in Bildabfolgen auf die Wände der Häuser projiziert und dazu kann man sich eine App herunterladen und die jeweiligen Ereignisse anhören, die Cité Memoire.  Wir finden dies eine sehr interessante Art Geschichte zu vermitteln.

 

Am nächsten Morgen sehen wir uns zuerst die moderne Innenstadt Montreals an. Nach einem Informationsbesuch im Touristencenter bummeln wir durch die Geschäftsstraßen Rue Sainte Catherine und die Rue Sherbrooke mit vielen Galerien und Boutiquen. Anschließend geht es in den Untergrund. Montreal hat eine eigene Untergrundstadt, die alle wichtigen Gebäudekomplexe und Plätze der Stadt miteinander verbindet. Auf einer insgesamten Länge von 32 Kilometern gibt es hier ein Einkaufsparadies mit Geschäften, Restaurants, Cafés, Kinos usw. Diese "Underground city" ist besonders im kalten Winter von Montreal angenehm. Wir kommen uns vor wie in einer eigenen unterirdischen Stadt.

 

Als wir dann wieder auftauchen, fahren wir zum Mont Royal, dem "Hügel" der Stadt. Dieser wunderschön angelegte Park wurde von dem Gartenarchitekten Frederick Law Olmstead geplant, der auch den Central Park in New York gestaltet hat. Hier können wir herrlich spazieren gehen, was Timba natürlich sehr freut, und wir haben einen traumhaften Blick auf die Stadt.

 

Danach besuchen wir das Universitätsviertel der Stadt. Montreal hat vier Universitäten, zwei englisch-sprachige und zwei französisch-sprachige. Die bekannteste ist die McGill University mit etwa 20.000 Studenten, die auch der momentane Ministerpräsident Justin Trudeau besucht hat.

Wir schwingen uns auf die Fahrräder und kurven durch die Straßen, die von Cafés, Studentenkneipen, Buchhändlern und Straßenmalern gesäumt sind. Jedes Jahr im Mai findet hier ein Grafitti-Wettbewerb statt, bei dem über sechzig öffentliche Wände neu bemalt werden. Da sind tolle Gemälde dabei. 

Eine Besonderheit dieses Viertels sind die Treppenaufgänge der kleinen Reihenhäuser, die es hier überall gibt. Um die Stadt stärker zu begrünen, gab es um 1880 einen Erlass, dass jeder einen  Vorgarten anlegen sollte. Dadurch entstanden an sehr vielen Häusern Treppenaufgänge in allen vorstellbaren Variationen, die gerne als Treffpunkte genutzt werden.

 

Gegen Abend fahren wir zum Musee des Beaux Arts, weil ich gelesen habe, dass es Mittwoch Abend verbilligten Eintritt hat. Nachdem wir über eine halbe Stunde Parkplatz gesucht haben und schon ziemlich genervt sind, kommen wir schließlich zum Museum, nur um zu erfahren, dass an diesem Abend die Eröffnung der neuen Ausstellung für eine geschlossene Gesellschaft gefeiert wird. Schade, denn wir hatten uns auf das so bekannte Museum sehr gefreut.

Am nächsten Tag geht es zuerst zur Biosphäre,  ein von außen sehr interessant aussehendes Museum für Umweltwissenschaften. Das Musum ist umgeben von einer geodätischen Kuppel und 1967 für die in Montreal stattfindende Weltausstellung als Beitrag der Amerikaner gebaut worden. Damals wurden für diese Weltausstellung zwei Inseln im St Lawrence River aufgeschüttet, auf einer davon befinden wir uns jetzt. Der philosophische Vordenker Buckminster Fuller ist der Erfinder der geodätische Kuppeln und hat ein sehr interessantes Buch „Gebrauchsanleitung für das Raumschiff Erde“ geschrieben. Er hat sich schon in den 1960er Jahren mit den endlichen Ressourcen der Erde beschäftigt und wird in diesem Umweltmuseum geehrt. Wir lesen vieles, was wir schon wissen und erfahren einiges Neues wie z.B. dass Wissenschaftler gerade dabei sind eine Photovoltaik-Farbe zu entwickeln, mit der man dann Hausdächer streichen und so Strom produzieren kann. Besonders beeindruckt hat uns der dort gezeigte Film, bei dessen Vorführung wir in der Mitte stehen und er im 360° Radius um uns herum abläuft. Er zeigt die Erde in schönsten Bildern, die Umweltprobleme und Lösungsansätze, die teilweise schon verwirklicht werden.

 

Über Nacht ist es Herbst geworden. Gestern hatte es noch 24 Grad und heute nur noch 15. Aber die Sonne scheint, das ist das Wichtigste. Wir fahren noch einmal in die Altstadt, flanieren durch den Kunsthandwerkermarkt St. Lawrence und den alten Hafen und gehen etwas trinken. Mittags sitzen die Montrealer schön beim Essen mit Stoffservietten und einem Glas Wein: l`art de vivre.

 

Wenn wir durch die Stadtviertel bummeln, lassen wir Timba meistens im Auto. Damit er nun auch endlich ein bisschen laufen darf, machen wir noch eine Radtour am Canal de Lachine. Dieser Kanal wurde um 1820 gebaut, um die Stromschnellen im St Lawrence River zu umschiffen. Heute geht hier ein schöner Radweg entlang, der an mehreren Schleusen vorbeiführt und rege genutzt wird. Wir fahren bis zum schon sehr herbstlich dekorierten Marchée Atwater, wo wir uns zur Stärkung ein leckeres Croissant kaufen. Nach einer guten Stunde verfrachten wir Timba wieder ins Wohnmobil und freuen uns auf eine Besonderheit in einer der ältesten Kirchen Montreals.

 

Jeden Abend um 18.00 Uhr findet in der Basilique Notre Dame die Vorführung „Aura“ statt. Wir haben uns schon mittags Karten gekauft und sind ganz gespannt. Als wir die neugotische Kirche betreten ist sie fast dunkel, nur der Altarraum ist beleuchtet. Zwanzig Minuten lang wird nun bei leiser Musik immer ein anderer Seitenaltar in kunstvoller Weise angestrahlt. Anschließend setzen sich alle in die Kirchenbänke (es ist proppenvoll und das jeden Abend!) und wir erleben eine wunderbare Licht-Laser-Musikaufführung. Die Kirche wirkt bei dieser Beleuchtung innen fast maurisch und im vorderen Teil findet bei lauter Musik ein tolles Lichtspektakel statt. Wir sind sehr beeindruckt und können uns gut vorstellen, dass so etwas auch in anderen Städten gut ankommen und die Kirchen füllen würde.

 

Danach gehen wir in der Altstadt noch einmal etwas trinken, genießen die französische Atmosphäre von Montreal und fahren dann zurück zum Campingplatz.

  

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